Diese Vignetten sind vor allem dann einsetzbar, wenn sich ein Charakter mit der Gabe
Prophezeien in der Gruppe findet. Ist dies nicht der Fall, kann man das Ganze ein wenig abgewandelt als allgemeine Infos für die Spieler o.ä. verwenden oder man macht es wie ich: Nach dem Himmelsturm habe ich jeden Spieler vor die Wahl gestellt, ob er 400 AP möchte oder einen besonderen Bonus - bei mir waren das der sofortige Verlust des Nachteils
Kälteempfindlichkeit für den Piraten, der sich durch die Reise an das Klima angepasst hat, und eben die nachträgliche Verleihung von
Prophezeien für den Magier, auf den die magischen Verhältnisse des Himmelsturms eine nachhaltige Wirkung hatten.
Zweck und Gestaltung
Jede dieser Vignetten bietet den Spielern (und eventuell dem prophezeienden Helden) einen Blick auf ihren vermeintlichen Erzfeind Beorn - all die schönen Kästen, Zitate und Anmerkungen aus der Neuauflage können endlich auch (teilweise) den Spielern zugänglich gemacht werden.
Ich persönlich habe für diese Visionen ein eigenes Stück verwendet, nämlich
Ghosts (SUMMER) aus dem Soundtrack zu
Requiem for a Dream, und eine dumpfe Stimme über den Anfang gelegt, die "An einem anderen Ort..." sagt. Alternativ kann man diese einleitenden Worte natürlich selbst am Spieltisch sagen. Ab der zweiten Vision wussten meine Spieler dann immer nach den ersten Akkorden, was los ist, und die Reaktionen sind Gold wert.
Szene 1
Ort und Zeit
Ein bis zwei Wochen nach der Flucht aus Ometheon, am Besten in Riva
Text:
"Geschändet, sagst du? Oh, nein." Keine Regung zeigt sich in den pupillenlosen schwarzen Augen des Albs. "Die Göttin hat die Leiber unserer Vorfahren vollendet. Indem sie unsere Körper mit Wesen höherer Ebenen verschmolz, hat sie auch uns erhöht. Und dafür sind wir selbst nach Jahrtausenden noch dankbar."
Die Ansicht dreht sich ein wenig, und in Sicht kommt der Mann, zu dem der Alb spricht. Ein Thorwaler mit halblangen schwarzen Haaren, mehreren Narben, einer Augenklappe... Abscheu steht in Beorns Gesicht, während er hinter seinem Rücken fieberhaft mit einem Dietrich hantiert, um die schweren Ketten zu lösen, mit denen er gefesselt ist.
Szene 2
Ort und Zeit
Höchstens einige Tage nach der ersten Szene, vermutlich zwischen Riva und dem Nivesenlager
Text:
"Was wollt Ihr tun?" Eine Mischung aus Trotz und Mut steht in Beorns Zügen. "Mir noch das andere Auge ausstechen?"
"Nein." Eine weibliche Stimme, wunderschön, aber kalt wie Packeis. "Aber deinen Gefährten."
"Nein!" Verzweiflung steht im Gesicht des Thorwalers, während er sich gegen die eisernen Ketten stemmt - erfolglos.
"Oh, doch." Die Frau klingt... erfreut. "Und du darfst wählen, welcher von ihnen zuerst dran ist."
"Niemals. Dazu könnt Ihr mich nicht bringen."
"Nicht?" Ein ironischer Unterton. "Der erste Gefährte, an den du denkst. Na?"
Beorns Gesicht verzerrt sich, als er das Unmögliche versucht - nicht zu denken. Dann stößt er einen qualvollen Schrei aus.
Ein helles Lachen - die Frau? "Der Steuermann. Einverstanden."
Die Ansicht beginnt sich zu verschieben, sodass die Sprecherin bald ins Blickfeld rücken wird.
"Ich werde ihn wissen lassen, dass... Wer bist du?"
Ein kurzer Blick auf die schlanke Gestalt einer Elfe, silbernes Haar, dann hebt sich eine blasse Hand - das Bild wird schwarz.
(an den Spieler des prophezeienden Helden) Etwas drückt gegen deinen Geist, keine Sekunde lang kannst du den Widerstand halten. Deine Erinnerung setzt aus.
Als du erwachst, liegst du auf dem kalten Boden, deine Mitreisenden laufen besorgt auf dich zu. Shaya beginnt nach Wunden zu suchen, doch sie findet keine. Dein Kopf schmerzt, als wärst du damit gegen eine Mauer gerannt.
Der Held erhält 3W6 SP (oder soviel er noch aushalten kann, ohne gleich zu sterben).
Anmerkung:
Wem diese Szene zu dick aufgetragen ist (immerhin verbündet sich Beorn bald darauf mit Pardona), der muss sie eben abändern. Wenn ich allerdings die Saga richtig verstanden habe, dann foltert Pardona Beorns Gefährten und bis auf ihn selbst (und Lenya) lassen alle ihr Leben.
Bei mir war es so, dass die Vision im Zelt geschah, wo noch ein Mitreisender des Magiers lag. Der Magier redete vor sich hin, während er die Vision hatte, und sein Freund schrieb eifrig mit. Als dann die Vision abbrach, schilderte ich dem Spieler des Magiers, wie die Erinnerung an das Gesehene nach und nach aus seinem Kopf verschwindet. Durch die Notizen hatten die Helden die Vision allerdings dennoch gerettet.
Szene 3
Ort und Zeit
Kurz nach dem Aufbruch des Karen-Trecks.
Text:
"Wir haben es fast geschafft." Eine frische Narbe ziert Beorns Gesicht, während der Thorwaler mit hochgezogenen Schultern über das Eis stapft.
"Ja." Neben ihm geht die Travia-Geweihte Lenya, der die Kälte weniger auszumachen scheint.
"Hoffentlich bemerken sie es nicht."
"Das werden sie früher oder später. Vor allem die Frau ist gefährlich."
"Aber was machen wir dann?"
Lenya scheint weniger beunruhigt. "Bis dahin müssen wir weit genug weg sein."
Anmerkung:
Natürlich handelt es sich bereits um Pardona. Ich habe ein bisschen geknobelt, um den Text so ambig zu gestalten, wie er ist, aber da sind sicher noch Verbesserungen möglich - Vorschläge?
Wer glaubt, seine Spieler seien clever genug, um hier bereits Verdacht zu schöpfen, der sollte die Szene eventuell weglassen oder nur Bilder, aber nicht das Gespräch beschreiben.
Szene 4
Ort und Zeit
Etwa eine Woche vor Festum, einige Tage nach der Drachensichtung und mindestens einen Tag nach Shayas Vision; vermutlich irgendwo auf dem Land.
Text:
"Ihr könnt euch glücklich schätzen, dass ich Euch begleite." Die Frau trägt schwarze und graue Kleidung, hat kurz geschorene schwarze Haare und trägt einen schwarzen Magierhut. Ihre blassen Arme zieren zahlreiche weiße und kupferne Metallreife.
"Hm." Beorns Brummen klingt ganz und gar nicht begeistert.
"Was ist?" Harte, stahlgraue Augen blicken den Thorwaler an. "Ihr seid zu mir gekommen, nicht umgekehrt. Ich hoffe, Eure Reise lohnt sich."
"Hm." Ein weiteres Brummen, während Beorns eines Auge die Unbekannte mustert. "Meinethalben. Packt Eure Sachen, wir müssen los. Über diese Flamme werden wir hier wohl nichts mehr erfahren."
Anmerkung:
Es handelt sich um Belasca Jannerloff, unter deren Armreifen sich auch der (?) Mandranna befindet. Der Hinweis auf die Prophezeiung kann eventuelle Verdachtsmomente seitens der Spieler zerstreuen, denn um davon zu erfahren, muss Beorns Geweihte ja noch bei ihm sein - oder?
Eine tolle Entwicklung in meiner Gruppe ist, dass einer der Spieler der felsenfesten Überzeugung ist, Beorn hätte gerade Nahema ins Boot geholt - "Festum, Arroganz, harte graue Augen, graue Kleider und total unsympathisch - kann doch nur Nahema sein!"
Szene 5
Ort und Zeit
In oder kurz vor Vallusa. Siehe unten.
Text:
"Wie seid Ihr eigentlich in die Ardaritenburg gekommen?" Forschend sieht Beorn die Magierin in Grau an. Lenya geht unbeteiligt neben ihnen her, sie scheint in Gedanken versunken zu sein.
"Sagen wir, ich kann sehr überzeugend sein." Ungerührt erwidert die Frau den Blick des Thorwalers, bis er das Auge abwendet.
"Glaube ich Euch gern."
"Ohne mich hätten wir die richtige Stadt wohl niemals gefunden." Die Frau sieht ein wenig selbstgefällig aus. "Jetzt haben wir einen guten Vorsprung vor Eurem Freund."
Beorn brummt.
Anmerkung:
Keine besonders beeindruckende Szene, aber im vierten AB gibt es dafür auch nicht viele Gelegenheiten. Die Szene ist vor allem als Joker gedacht: Der Meister kann sie einsetzen, wenn die Helden in Vallusa partout nicht darauf kommen, in die Ardaritenburg einzudringen. Da bei mir der Zwerg aber nicht weiß, wo Erm Sen hin ist (seine Geschichte macht ja die zwei Seiten voller Handouts völlig nutzlos!), ist das aber notwendig. Ansonsten nach Belieben einfügen oder weglassen.
Szene 6
Ort und Zeit
Überall zwischen Festum und Ysilia, nach Belieben. Am Sinnvollsten kurz vor oder in Vallusa, falls aber Szene 5 verwendet wird, kann man diese hier nach hinten verschieben.
Text:
„Welcher Schwachkopf kam eigentlich auf die Idee, den Landweg nach Vallusa zu nehmen? Diese Mückenstiche jucken wie wahnsinnig.“
„Das warst du selbst, Baldur.“
„Unsinn. Auf so eine blöde Idee kommst ja wohl höchstens du.“
Die beiden Männer sehen aus wie Söldner, in zusammengewürfelter Tracht und geflickter Rüstung. Böse schauen sie sich gegenseitig an.
„Von Unsinn musst du ja was verstehen, Baldur.“
„Ach, halt's Maul, du...“
„Ruhe.“ Die befehlende Stimme einer Frau – die unbekannte Magierin. Sofort klappen die beiden Männer den Mund zu. Sie sehen eingeschüchtert aus.
Schweigend stapft die Gruppe weiter durch eine verschwommene Landschaft.
Anmerkung:
Baldur und Childwig sind bei mir als ewige Streithähne konzipiert - wer das anders handhabt, muss den Streit eventuell anderen NSCs zuschreiben. Auch eine genauere Beschreibung könnte man noch hinzufügen, aber ich wollte diese Szenen kurz halten. Im Finale erkennen die Helden dann die beiden Streithähne. Nach den vorherigen Szenen dürften die Helden Respekt vor Belasca haben - wenn sie dann im Finale Mandranna einsetzt, dürfte das sehr wirksam jeden Verdacht von Lenya ablenken, weil die Spieler mit dem Rätsel um die Magierin beschäftigt sind.
Szene 7
Ort und Zeit
Je nach Vorliebe kurz vor oder kurz nach dem Kampf gegen die Seeschlange in
H'Rangas Kinder - wer wirklich fies ist, kann die Vision natürlich auch während des Kampfes stattfinden lassen...
Text:
"Kinder von Schamaschtu und Bahamuth, die unbesiegbaren Würmer, so heißen bei den Tulamiden jene schrecklichen Kreaturen, die aus den Gedärmen Sumus gekrochen sind, um die Ozeane zu bevölkern." Es ist die Magierin aus Beorns Gruppe, die wichtigtuerisch auf und ab geht. "Gewaltig sind ihre geschuppten Leiber, und der Hieb ihres Schwanzes trifft ein Schiff härter als die mächtigsten Brecher in Rondrikan. Man sagt, wenn sich zum siebenten Mal ein siebentes Jahr wiederholt, finden sich die Meeresgiganten vor der verbotenen Insel ein, um ihre Brut zu zeugen. In diesen Tagen wird von geschuppten Händen viel Räucherwerk verbrannt, und geschlitzte Zungen rufen lispelnd lästerliche Flüche herab auf alle, die warmes Blut in den Adern führen. Mögen die Zwölf denen gnädig sein, die unwissend den Bug gen Sonnenaufgang wenden und vor der Ostküste Maraskans das Meer durchpflügen, denn sie begeben sich in tödliche Gefahr."
Die Ansicht dreht ein wenig, und Beorn kommt in Sicht. Er brummt. "Aus welchem Buch ist das nun wieder?"
"Al Lamasshim nishuda Abu Leviatan - Kreaturen am Rande der Welt. Es wurde leider gegen 400 BF von der Inquisition verboten, aber wie es das Glück so will, ist es mir gelungen, eines der wenigen verbliebenen Exemplare in meinen Besitz zu bringen."
"Hm." Beorn wirkt nicht sonderlich beeindruckt. "Ob Asleif das weiß? Wir wollen ja nun nicht, dass er von einer Riesenschlange zermatscht wird."
Die Magierin zuckt mit den Schultern. "Missverständlich war die Prophezeiung ja nun nicht gerade -
an der Ostküste. Nicht im Meer
davor. Das wäre dumm."
"Hm." Der Einäugige macht eine Ausgleichsbewegung, als der Boden sich bewegt - anscheinend sind die beiden auf einem Schiff. "Wenn wir Glück haben, finden sie die Stelle gar nicht. Ich meine, 'wo sich Meer, Fels und Finsternis vermählen'? Da war ja die vierte Aufgabe noch verständlicher."
"Lenya wusste doch sofort, was gemeint ist", erwidert die Magierin. "An deiner Stelle würde ich lieber nicht davon ausgehen, dass wir einen großen Vorsprung haben."
Anmerkung
Im Gegensatz zu den eher dekorativen Szenen 5 und 6 hat diese hier mehrere Zwecke: Erstens wird der schöne Ingame-Buchauszug den Spielern zugänglich (meine Helden haben ganz zufällig gerade keine Ausgabe des Buches dabei), zweitens erfahren sie, dass mit ihrer Prophezeiung etwas nicht stimmt, denn erstens sollte ihnen der letzte Satz des Buchzitates bekannt vorkommen und zweitens hat Beorn anscheinend eine andere Prophezeiung. Außerdem erfahren sie, wie der richtige Schlusssatz lautet (was sie sonst frühestens in Abenteuer 6 erfahren, wo es nichts mehr nutzt), auch wenn sie das wohl nicht entschlüsseln können. Und schließlich scheint Lenya über ein umfassenderes Wissen zu verfügen, als man ihr zutraut - warum nur?
Meine Spieler sind bisher völlig ahnungslos, was Lenya angeht, obwohl ich Szene 3 unzensiert verwendet habe. Daher streue ich hier noch einen kleinen Hinweis. Wer misstrauischere Spieler hat, sollte Belascas Anmerkung über Lenya einfach in ein arrogantes "Ich für meinen Teil wusste sofort..." umwandeln.
Soweit bis hier. Für
H'Rangas Kinder sehe ich nicht die Notwendigkeit einer weiteren Vision, und danach kommt erstmal KdM. Ich poste wieder, wenn ich mir über den Largala'hen Gedanken gemacht habe.
Kommentare? Ideen?
Gruß
Arivor