Inzwischen gibt es eine Leseprobe für die Romane.
http://www.randomhouse.de/leseprobe/Die ... 317512.pdf
Ich habe sie jetzt gelesen und muss sagen. Nö, das ist nicht Aventurien. Das gefällt mir nicht. Und zwar schlicht aus einem, aber für mich sehr entscheidenden Grund: Geschlechterrollen.
Da gibt es die vierzehnjährige Tochter eines Kauffahrers aus Havena. Die will "der Sohn werden, den ihr Vater vor zwei Jahren verloren hat". Der das Kontor übernommen hätte, so wie er es einst von seinem Vater übernommen hätte. "Sie hatte sogar Fechtstunden genommen".
Sie bekommt an Bord des Schiffes, auf dem sie reisen, keine unziemlichen Bemerkungen, "weil alle ihren Vater respektierten". Und "deswegen wurde sie behandelt wie ein junger Mann, was genau ihren Vorstellungen entsprach."
Am Ende wird sie von Strandräubern ergriffen und von einem von diesen entführt. Sie "konnte schon erahnen, was dieser mit ihr vor hatte". Die Vergewaltigung, die in der Folgeszene beschrieben wird, erleben wir dann aber aus Tätersicht. WTF?
Die parallel erzählte Geschichte ist die von den Strandräubern, die aus dem Dorf Stainakr, südlich von Thorwal stammen. Frauen gibt es dort keine außer einer kleinen Schwester, die nicht verhungern soll, wie ein Charakter erwähnt, die in der Vergangenheit liegende Beerdigung der Mutter des Protagonisten, und dass der Vater auch nicht wüsste, "wer dich in den Bauch deiner Mutter gepflanzt hat".
Ansonsten ist die ganze Geschichte ausschließlich von männlichen Thorwalern die Rede. Sie sind auch eindeutig die einzigen, die zuständig sind, für Entscheiden, das Überleben des Dorfes zu sichern und Leute erschlagen. Da ist der Hetmann, seine drei Söhne, und jede Menge weiterer Personen aus der Reihe der sieben Jungmannen, "die heute ihr erstes Blut vergießen sollen, damit nächsten Frühlung ein Kapitän sie auf Plünderfahrt mitnimmt". Die werden sogar namentlich eingeführt mit männlichen Namen.
Es wird erwähnt, dass es auf der Hellsicht Akademie in Thorwal Jungen und Mädchen als Novizen gäbe (allerdings ist der namentlich genannte Lehrmeister des Protagonisten auch wieder ein Mann). Aber auch etwa auf dem Schiff ds Kauffahrers sind alle Nebenrollen mit Männern besetzt: der Schiffsjunge, der Steuermann. Der Sultan von Al'Toum wird auch noch erwähnt.
Das ist alles das Gegenteil von dem, was ich von Aventurien erwarte. Einer der wichtigsten Gründe Aenturien treu zu bleiben über drei Jahrzehnte war für mich, dass diese kack "is' ja wie Mittelalter, daher sind Frauen nun mal zweite Reihe und Beiwerk für eine Männergeschichte" hier nicht gelten. Der größte Teil Aventuriens lebt so, dass das gesellschaftliche Geschlecht keine Rolle spielt.
Das ist bei dieser Leseprobe eindeutig nicht der Fall. Und die literarische Rollenverteilung und -beschreibung, Spotlight und so fort sind leider noch schlimmer und antiquierter.
Immerhin wird nicht jede weibliche Figur direkt mit einer Beschreibung ihrer körperlichen Vorzüge eingeführt, wie ich es leider auch nur zur Genüge aus dieser Literaturgattung kenne. Das war allerdings auch einfach: es kommt ja nur eine vor. Und die vierzehnjährige Kaufmannstochter wird auch gleich mit "schlank" eingeführt und dass ihr die Stutzer in Havena nachstellen würden. So viel
male gaze gibt es dann doch schon mal.
Also, das war gar nichts. Ich hoffe wirklich sehr, dass das ein ganz übler, aber überschaubarer Ausreißer war.